…S/W durch Malcesine

Begeisterte mich der Lago di Garda vor Jahrzehnten als „Sport-Arena“ zum Mountainbiken oder mit seinen Klettersteigen, freue ich mich heute über die vielgestaltige Natur und Kultur entlang der Uferlinie und dem angrenzenden Hinterland. Dabei lasse ich mich heute auf Orte ein, die ich in früheren Zeiten strengstens gemieden habe: zu touristisch, zu viele Menschen, …, …

Auf der Suche nach interessanten Orten befrage ich von Zeit zu Zeit die gängigen Suchmaschinen. Sie werfen dann Superlative raus wie: die „X“ schönsten Orte am Gardasee, wo ist der Gardasee am schönsten, „Y“ Orte die man am Gardasee gesehen haben muss – und wo weiter und wo weiter. Ein Dienstanbieter geht dabei einen anderen Weg, er fragt, ob sich ein Besuch in „Z“ überhaupt lohnt. Als ernstzunehmende Recherche ist das eine wie das andere eher selten interessant. Persönlich verlasse ich mich lieber auf den Austausch im Freundes- und auch Kollegenkreis. Ebenso orientiere ich mich gerne an dem Bildmaterial historischer Literatur, zum Beispiel von Giuseppe Milani „Il Garda nelle fotografie dell’Ottocento“.

Während unserer letzten Erkundungstour am Lago, konzentrierte sich meine Wahrnehmung auf die mittelalterlichen Gassen von Malcesine. Das kleine Städtchen an der Gardesana Orientale (Strada Statale 249), der ostseitigen Staatsstraße, zählt ähnlich wie Canale di Tenno (im Norden oberhalb von Riva del Garda) oder Tremosine sul Garda (auf den felsigen Terrassen oberhalb des Westufers) zu den „schönsten Ortschaften bzw. Dörfern Italiens“ (I Borghi Più Belli D’Italia).

Seit dem Goethe in dem kleinen Städtchen im September 1786 logierte, ist die Zeit zwar nicht stehen geblieben, doch hat sich Malcesine mit seinen steinernen Fassaden und kleinen verwinkelten Gassen sowie dem historischen Gemäuer des Castello Scaligero, den Charme der Vergangenheit bewahrt. Letzteres zählt dann auch zu den touristischen wie fotografischen HotSpots. Reizvoller finde ich persönlich die Posterna im Südwesten vor der Burganlage. Sie überdauerte bis in die 1970iger Jahre die Jahrhunderte weitgehend unverändert. Heute ist sie renoviert und bietet Motive, die in der Zeit weit zurück reichen. Gleiches gilt für die unzähligen Gassen mit ihren Bogengängen.
Neben der Bändigung der touristischen Massen im Motiv, gilt die zweite Herausforderung den starken Kontrasten, welche die frühsommerliche Sonne mit sich bringt. Hier versuche ich bewusst auf Farbe als Gestaltungsmittel zu verzichten und konzentriere mich auch die S/W-Fotografie, wobei ich vordergründig mit Licht und Schatten komponiere.

Habe ich in früheren Zeiten den Bildstil (bei Nikon Picture Control) Monochrom genutzt, um mich auf Linien und Formen bei der Wahl des Motivausschnitts zu konzentrieren, nutze ich heute die Filmsimulationen meiner Fuji GFX gezielt um in S/W zu fotografieren. Das interessante an der Filmsimulation „ACROSS“ ist die Vorauswahl von Filtern. Ähnlich wie in der analogen S/W-Fotografie optische Schraubfilter verwendet wurden, kann ich hier die digitale Variante eines Rot-, Gelb- oder Grün-Filters voreinstellen.

Die nachfolgende Grafik veranschaulicht die Wirkung der einzelnen Filter. Interessant ist die Farbhelligkeit der jeweiligen Farbbereiche. So lässt sich gezielt Einfluss auf den Hell-/ Dunkelkontrast nehmen, beim Spiel mit Licht und Schatten ebenso wie auf die Tiefenwirkung des Motivs.

Wie schon in Venedig (mit artistravel – Venedig in S/W) im Herbst 2022, habe ich bei meinen Streifzügen in den Vor- und Nachmittagsstunden auf das Stativ verzichtet. Einerseits erleichtert es das Fotografieren inmitten der Touristenströme. Anderseits nehmen diese jetzt auch weniger Rücksicht auf mich, den Fotografierenden. Zwar schauen einen die Menschen an, erkundigen sich mit unter auch, was da fotografiert wird, um dann ungeniert durchs Motiv zu laufen. Andere verweilen als „Pointe of Interest“ zentral im Motiv, um die Aussicht zu genießen. Hier zahlt sich in der Regel eine gehörige Portion innere Ruhe aus.

Neben Malcesine versprachen auch andere Orte entlang des Seeufers interessante Motivmöglichkeiten und Perspektiven – wohlwissend in Farbe. Überrascht hat mich dabei ein Arkadien ähnlicher Blick in der touristischen Hochburg Sirmione…

Lust auf italienische Sonne entlang der Ufer des Lagos bekommen? Vom 28. April bis 4. Mai 2024 geht es mit Thürmer Tours an den Gardasee. Von Riva del Garda begeben wir uns auf Motivsuche entlang des Seeufers. Einen Blick auf unsere Gardaseetour „…unter italienischer Frühlingssonne“ aus dem April 2023 gibt es hier im Blog.

P.S.: Literarisch bietet der Mahler Verlag demnächst mit der „Physiognomie der Landschaft“ von Herbert Lechmann einen schönen Abstecher an den Gardasee. Im Vordergrund steht die Ästhetik, die sinnliche Wahrnehmung der Landschaft um den Lago di Garda.